Teilhandprothesen-Versorgung mit der i-Digits™ Quantum von Össur

Stephan M. ist Industriekaufmann aus Flensburg. Gelernt hatte er Starkstromelektriker und übte diesen Job auch mit Leidenschaft aus – bis zu einem Starkstromunfall im Juli 1994. 5.000 Volt jagten durch seinen Körper und hinterließen verbrannte Knochen des Daumens und Zeigefingers sowie ein nicht mehr funktionsfähiges Handgelenk an der rechten Hand. Die Genesung nahm lange Zeit in Anspruch, Daumen und Zeigefinger wurden abgenommen, das Handgelenk versteift. Übrig blieb eine halbe Hand, die allerdings nur noch sehr eingeschränkt funktionsfähig ist. Doch Stephan ist niemand, der den Kopf in den Sand steckt. „Eher gehe ich mit dem Kopf durch die Wand, wenn es sein muss.

War ich vorher Rechtshänder, bin ich jetzt halt Linkshänder. Dann ist das so! Ich kann es nicht mehr ändern. Ich lasse mich aber nicht einschränken. Ich snookere seit 25 Jahren, also auch schon vor dem Unfall. Zudem kite ich jetzt, bin nach dem Unfall als erstes Rennkart gefahren. Ich frage mich nicht, ob es geht, sondern wie es geht“, erzählt Stephan. Seit viereinhalb Jahren ist er nun auch selbstständig. „Natürlich stellst du dir am Anfang die Frage ‚Warum ich?‘. Du bekommst aber keine Antwort drauf! Also brauchst du dich nicht damit aufzuhalten.“ Durch sein Sanitätshaus Schütt und Jahn in Flensburg wurde Stephan auf die Teilhandsysteme der damaligen Firma Touch Bionics aufmerksam. Diese ist seit Mai 2016 Teil von Össur.

Das isländische Unternehmen ist ein Anbieter von weltweit führenden prothetischen Technologien und hat sich im Bereich seiner Touch Solutions das Ziel gesetzt, bestmögliche Versorgungen für Menschen mit fehlenden Gliedmaßen der oberen Extremität zu gewährleisten. Zum Portfolio zählen myoelektrische Hand- und Teilhandprothesen sowie hochrealistische passive Silikonprothesen, die dem natürlichen Aussehen des Trägers entsprechen. Nachdem die Bewilligung einer Testversorgung mit einer Teilhandprothese (von der BG) vorlag, haben sich die Orthopädietechniker des Sanitätshauses und Stephan auf den Weg nach Heidelberg begeben. Dort hat das Sanitätshaus sich in der Össur Academy für die Versorgung mit der Technologie zertifizieren lassen. Dadurch kann das Unternehmen auch außerhalb seines Standortes Qualität und Know-how gewährleisten.

Zuerst wurde von Stephans Hand ein Silikonabdruck gefertigt. Verwendete man früher ausschließlich Gips, wird heute immer mehr Silikon benutzt. Es ist nicht nur sehr robust, sondern liefert auch einen detailgetreueren Abdruck. Dieser wird anschließend ausgegossen und der Innenschaft(ebenfalls aus Silikon) auf dieser Grundlage angefertigt. An Stephans Unterarm werden die Stellen für die Elektroden markiert, damit durch entsprechende Muskelsignale die Prothese möglichst sensibel durch die Sensoren gesteuert werden kann. Nach dem Tiefziehen des Außenschaftes werden nun alle technischen Elemente wie Platine, Sensoren oder Verkabelung an die entstehende Teilhandprothese gebaut. Immer wieder probiert Stephan diese an, damit zum Schluss auch alles richtig passt.

Das Zusammenspiel von Handwerk und High-Tech wird hier beeindruckend deutlich. Benutzte Stephan früher nur eine Schmuckprothese, an der auch Daumen und Zeigefinger vorhanden waren (jedoch ohne großartige Funktionalität), kann er nun miterleben, wie ein multifunktionales Teilhandsystem der neuesten Generation entsteht. Im Portfolio der Össur Touch Solutions wird zwischen den Vollhandsystemen (i-Limb® Quantum) und den Teilhandsystemen (i-Digits™ Quantum) unterschieden. An die im Bau befindliche Prothese werden dann Zeigefinger und Daumen angebracht. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Ergotherapeuten von Össur. Sie analysieren zusammen mit dem Anwender, welche Position der Finger am vorteilhaftesten ist, um Griffe mit der Prothese am effektivsten auszuführen. Dann werden die Teile entsprechend an den Prototypen angebracht. Stephans Prothese ist nun fertig, sodass er und die Orthopädietechniker in die Funktionsweise des Teilhandsystems eingeführt werden können. Hier tut sich eine Welt der modernen Technologie auf, die jeden Interessierten vollkommen begeistert. Waren solche „Roboter-Hände“ vor einiger Zeit nur Bestandteile von Science-Fiction-Filmen, sind sie nun Realität und verhelfen Betroffenen wieder zu mehr Lebensqualität im Alltag.

Anschließend trainiert Stephan mit den Ergotherapeuten, wie die Prothese ihn im Alltag unterstützen kann. Hierbei werden per App die Rückmeldungen und Signale der Handprothese bzw. der Sensoren überprüft, Griffe ausgewählt oder programmiert und somit die Prothese auf den Anwender individualisiert. Übungen sind zunächst: Hütchen aufeinandersetzen, kleine Kugeln aufheben (mit Daumen und Zeigefinger), Karten aufheben und übergeben. Danach sind Praxisübungen an der Reihe: beidhändiger Umgang mit Messer und Gabel, Zubereitung von Obst und Spiegeleiern oder zum Beispiel das Auf- und Zuknöpfen eines Hemdes. Die Ergotherapeuten geben Stephan Tipps, welche Griffe gewisse Tätigkeiten vereinfachen. So kann der Anwender aus Erfahrungen lernen.

Dieses Teilhandsystem lässt sich durch 4 innovative Arten steuern:
GESTENKONTROLLE

Die i-Mo™ Technologie ermöglicht den Zugriff auf einen automatisierten Griff, indem die i-Limb® Quantum in eine von vier Richtungen bewegt wird.

MUSKELKONTROLLE

Trigger sind bestimmte Muskelsignale, welche die voreingestellten Griffe aktivieren.

APPKONTROLLE

Quick Grips™ bieten sofortigen Zugriff auf 24 vorprogrammierte und 12 vom Nutzer definierbare Griffe.

ANNÄHERUNGSKONTROLLE

Grip Chips™ sind kleine Chips, welche die Aktivierung eines Griffs ermöglichen, indem die i-Limb® Quantum in deren Nähe bewegt wird.

Für Stephan ist die Verwendung der neuen Prothese natürlich noch ungewohnt. Erstaunlicherweise kommt er spielend leicht und schnell mit der Steuerung zurecht. „Meine Intention war es, mit dieser neuen Prothese in gewissen Situationen in meinem Alltag eine Erleichterung zu bekommen. Natürlich ist mein Handling in vielen Situationen durch 23 Jahre ohne Prothese beeinflusst. Die Alternativlösungen, die man sich dafür antrainiert hat, muss man wieder ändern. Aber diese Prothese wird mein Leben definitiv um einiges erleichtern!“

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