Die meisten Wohnprojekte werden mit Bewohnern konzipiert, die sich einer bestimmten Gruppe zuordnen lassen. Die Architektur und die Formen des Zusammenlebens sind so leichter umzusetzen und ein harmonisches Wohnumfeld scheint damit garantiert. Es gibt jedoch seit einiger Zeit einen neuen Trend: Mehrgenerationenhäuser, die gezielt Alt und Jung zusammenbringen.

Das liegt nicht nur an dem praktischen Nutzen der nachbarschaftlichen Arrangements, die die Bewohner untereinander üblicherweise treffen. Sicher ist es angenehm, wenn der junge Nachbar den Wasserkasten aus dem Supermarkt vorbeibringt, weil man dafür während des Familieneinkaufs kurz auf das Kind aufpasst. Aber das Zusammenleben kann auch fordernder sein, wenn unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertreffen, und für viele ist gerade das eine Bereicherung. Denn die enge Verständigung über die Nutzung von Gemeinschaftsräumen, Gartenpflege oder Kinderbetreuung mit Menschen in unterschiedlichen Lebensumständen ist häufig lebendiger und verhilft zu neuen Perspektiven.

Wer mit dieser Wohnform liebäugelt, sollte sich jedoch vorab ehrlich ein paar Fragen beantworten, um genau zu wissen, mit welchen Nachbarn er in Zukunft wie zusammenleben möchte. Mehrgenerationenhäuser sind eine Wohnform, die vom Engagement der Bewohner lebt. Jeder von ihnen kann und soll etwas beitragen, damit das kleine Gemeinwesen funktioniert – ein Nehmen und ein Geben.

Ist ein Mehrgenerationenhaus das Richtige für mich?

Diese Frage schieben Sie besser nicht auf die lange Bank, auch wenn es für das gemeinschaftliche Wohnen nie zu spät ist. Denn wer frühzeitig einzieht, dem fällt es meist leichter, sich auf die neuen Mitbewohner einzulassen und sich an das andere Wohnumfeld anzupassen. Die Chancen stehen so besser, dass Sie sich gut integrieren, nette Bekanntschaften knüpfen und sich an Ihrem neuen Wohnort rundum wohlfühlen.

Ob ein Mehrgenerationenwohnprojekt das Richtige für Sie ist, ist letztlich eine Typenfrage. Wer eher kontaktscheu oder sehr lärmempfindlich ist, könnte mit einer quirligen Nachbarsfamilie im gemeinschaftlich genutzten Garten oder den regelmäßigen Organisationstreffen der Bewohner schnell überfordert sein.

Dennoch kann die Frage, ob eher Wohnprojekte mit einer sehr unterschiedlichen oder homogenen Altersstruktur die besseren sind, nicht pauschal beantwortet werden. Letztlich hängt es immer von den jeweiligen Menschen ab, die Sie in Ihrer neuen Wohnumgebung vorfinden und wie gut die Qualität des Zusammenlebens in dem konkreten Wohnprojekt ist. Es lohnt sich also immer, offen zu bleiben und sich jede infrage kommende Wohnform zunächst möglichst unvoreingenommen und genau anzuschauen.

Die folgenden Fragen sollten Sie dennoch für sich beantworten, um eine Vorstellung von der Wohnform zu bekommen, die Sie suchen.

Mehrgenerationen- oder Seniorenwohnprojekt – praktische Tipps für Ihre Entscheidung

Wie kommen Sie mit Menschen, die andere Lebensgewohnheiten haben, zurecht? Ist Ihnen die Abwechslung willkommen oder meiden Sie eher den Kontakt? Bereitet Ihnen die Geräuschkulisse spielender Kinder keine Probleme? Und mögen Sie die Lebendigkeit, die sich aus der Nähe des Zusammenlebens unterschiedlicher Generationen ergibt?

Wie barrierearm ist die Architektur des Gebäudes? Kämen Sie dort auch mit Rollator oder Rollstuhl zurecht? Und wie nimmt die Gemeinschaft Rücksicht auf körperliche Einschränkungen, wenn es um die Verteilung von gemeinschaftlichen Aufgaben geht?

– Gibt es in dem Wohnprojekt noch weitere Bewohner, die ähnliche Ansprüche und Vorstellungen vom Zusammenleben haben wie Sie? Eine gewisse Anzahl von Mitbewohnern sollte ähnliche Wohnbedürfnisse haben wie Sie, damit Sie davon ausgehen können, dass diese auch berücksichtigt werden.

– Haben Sie den Eindruck, dass sich die Formen von Hilfe und Aktivität, die die jeweiligen Bewohner leisten bzw. benötigen könnten, gut ergänzen würden?

– Glauben Sie, in absehbarer Zeit Pflegedienste in Anspruch nehmen zu müssen? Falls ja, sollten sie möglichst Projekte vorziehen, die diesen Service integrieren. Auch eine Pflegewohngemeinschaft könnte dann eine gute Lösung sein.

– Ist die Zusammensetzung der unterschiedlichen Generationen im Wohnprojekt ausgewogen? Häufig neigen Mehrgenerationenhäuser dazu, doch zu seniorenlastig zu werden und damit nicht mehr attraktiv für die jüngeren Bewohner zu sein. Neben dem ungewollten Effekt, dass Sie sich dann doch in einer Seniorenwohnanlage wiederfinden, kann diese Entwicklung auch wirtschaftliche Nachteile bringen. Schließlich muss das Wohnprojekt dauerhaft attraktiv bleiben, damit eine Wiederbelebung der Wohneinheiten gesichert ist.

Lieber groß oder klein?

Meistens umfassen gemeinschaftlich gegründete Wohnprojekte eine Anzahl von etwa 12–15 Wohneinheiten und dies ist tatsächlich auch die richtige Größe für gut funktionierende Nachbarschaften. In diesem Rahmen ist es noch möglich, seine Nachbarn gut zu kennen und aufeinander zu achten. Kleinere Wohnprojekte können leichter gegründet werden, sind überschaubarer und die Bewohner kennen sich meist gut. Jedoch ist auch das Konfliktpotenzial größer und bei einem ausgewachsenen Streit zieht manch einer auch wieder aus, wenn er sich mit seinen Ansichten allein auf weiter Flur findet.

In größeren Wohnanlagen ist dieses Risiko geringer, da das Spektrum unterschiedlicher Charaktere breiter ist und sich damit auch der Zusammenschluss anderer passenderer Konstellationen leichter ergibt. Zudem können sich größere Wohngemeinschaften mehr leisten, wie zum Beispiel gemeinschaftlich genutzte Räume, Nachbarschaftsworkshops oder Umbauten, wenn sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern. Auch die Organisation von Hilfe fällt mit der höheren Anzahl von Bewohnern und größerem finanziellem Polster leichter.


Hier finden Sie Informationen und Ansprechpartner zu Mehrgenerationen-Wohnprojekten (bundesweit):

www.bring-together.de
bring together ist eine Plattform und ein Netzwerk für gemeinschaftliche Wohnprojekte und Interessengemeinschaften. Mit der intuitiven dazugehörigen App finden Sie schnell und einfach Menschen mit ähnlichen Wohnvorstellungen und -wünschen – ob Patchwork Community, Ökodorf, Tiny Houses-Gemeinschaft oder eben Mehrgenerationenhaus.

www.wohnprojekte-portal.de
Wie gründe ich ein Wohnprojekt? Gibt es bereits ähnliche Projekte wie meines? Gibt es Menschen, die mitmachen würden, Projekte im Aufbau oder eine gerade leer gewordene Wohnung in meiner Nähe? Wo kann ich mich erkundigen? Wer hilft mir? Im Wohnprojekte-Portal der Stiftung trias finden Sie Antworten auf all diese Fragen.

www.fgw-ev.de
FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V.
Das FORUM ist ein überregionaler Zusammenschluss von Menschen und Organisationen mit Interesse an selbst organisierten und gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Der Verein zeigt die Vielfalt der Wohnprojekte auf und unterstützt Interessierte dabei, die ihnen gemäße Form zu finden. Neben der Geschäftsstelle in Hannover gibt es ein Netz von Regionalstellen und eine große Projektbörse mit Wohnprojekt-Interessenten.

Fotos: Cathy Yeulet + Ian Allenden/123r f.com