Stille Entzündungen erhöhen das Risiko für rheumatische und Autoimmunerkrankungen. Zudem können sie sich ungünstig auf den Verlauf von chronischen Erkrankungen auswirken. Die Ernährung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Industriell verarbeitete Nahrungsmittel enthalten viele gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Konservierungsstoffe. Sie liefern kaum Antioxidantien und so werden Entzündungen immer weiter angefeuert. Bekommt unser Organismus jedoch ausreichend Vitamine, Mineralstoffe, hochwertige ungesättigte Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe, können wir unseren Körper bei der Abwehr von Erregern und schädlichen Substanzen unterstützen und zudem stille Entzündungen minimieren. Aber auch Übergewicht, Umweltfaktoren und eine ungesunde Lebensweise wirken sich negativ auf das Entzündungsgeschehen aus. Eine antientzündliche Ernährung hilft dabei, Entzündungen zu reduzieren und das körperliche und geistige Wohlbefinden zu steigern. Aber nicht nur eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten, sondern vielmehr die Kombination mit einem darauf basierenden Lebensstil ist von besonderer Bedeutung.

Wir haben die Autorin Julia Bierenfeld zum Interview getroffen und mit Ihr über Ernährung bei stillen Entzündungen und Multipler Sklerose gesprochen.

HL: Worin liegt allgemein die Problematik bei der Ernährung der meisten Menschen mit Multipler Sklerose?

JB: Ich denke, die größte Problematik besteht darin, dass die Ärzte sich nicht genügend mit dem Thema auseinandersetzen, wobei es mittlerweile mehr in den Fokus kommt. Als ich meine Diagnose bekam, sagte mir mein Arzt, ich müsse an meiner Ernährung nichts verändern, allerdings war ich zu dieser Zeit stark übergewichtig und gerade deswegen hätte ich mir persönlich zumindest eine Gewichtsreduktion empfohlen. Bei Übergewicht und vor allem bei einem erhöhten Bauchumfang werden kontinuierlich Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet, was sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. Hinzu kommen Bewegungsmangel und eine einseitige und ungesunde Ernährung. Fehlende Antioxidantien und zu viele tierische Produkte in der Ernährung fördern zudem das Entzündungsgeschehen.

Natürlich setzen sich viele Betroffene bereits eigenständig mit dem Thema Ernährung auseinander. Oft scheitert es allerdings an der Umsetzung. Da wäre es wichtig, Unterstützung zu bekommen. Mit meinem Blog und auch mit meinen Online-Workshops versuche ich, Betroffene genau dort abzuholen.

HL: Gibt es Lebens- oder Nahrungsmittel, von denen man am besten Abstand nehmen sollte?

JB: In meinen Beratungen empfehle ich in jedem Fall, auf Schweinefleisch zu verzichten, denn darin sind entzündungsfördernde Stoffe wie Arachidonsäure enthalten. Generell wird eine Reduktion von tierischen Produkten empfohlen. Zudem sollten Omega-6-lastige Öle wie Sonnenblumenöl, Distelöl und Sojaöl reduziert werden und stattdessen Omega-3-haltige Öle in die Ernährung integriert werden. Das kann in Form von Lein- und Hanföl für die kalte Küche und Rapsöl zum Braten sein. Omega-3-Öle haben eine entzündungshemmende Wirkung. Außerdem verschlimmern Zucker, Alkohol und Kohlenhydrate in Form von Weißmehlprodukten das Entzündungsgeschehen. Auch von stark verarbeiteten Lebensmitteln rate ich ab.

HL: Können Sie Lebensmittel empfehlen, welche grundsätzlich sehr gut für MS-Erkrankte sind? Gibt es sozusagen ein „Superfood“?

JB: Pflanzliche Lebensmittel sind sehr zu empfehlen. Sie bringen neben Antioxidantien noch viele wichtige Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente mit. Dazu noch Ballaststoffe, die sich positiv auf die Verdauung und unsere Darmgesundheit auswirken. Mit einer pflanzenbetonten Kost, wenig tierischen Produkten und verarbeiteten Lebensmitteln ist man in jedem Fall auf einem guten Weg.

HL: Wäre es ratsam, sich während eines Schubs und/oder unmittelbar danach anders zu ernähren?

JB: Natürlich kann man den Körper während eines Schubs mit einer gesunden und antientzündlichen Ernährung unterstützen. Es kommt auch immer darauf an, wie man sich davor ernährt hat. Das Essen im Krankenhaus ist vielleicht nicht als optimal zu bewerten, aber man kann auch hier mit ein paar frischen Lebensmitteln Abhilfe schaffen. Frisches Obst, Gurke, Tomate und Paprika lassen sich auch im Krankhaus als Rohkost zubereiten. Dazu sollte ausreichend getrunken werden. Durch das Verabreichen von Cortison kann es zu Wassereinlagerungen kommen, daher sollte salzarm gegessen und auf Fertiggerichte sowie Fast Food und Chips verzichtet werden. Auch Brot und Brötchen haben einen hohen Salzgehalt. Ein hoher Salzkonsum fördert das Einlagern von Wasser im Gewebe. Auch beim Wasser sollte darauf geachtet werden, dass es wenig Natrium enthält. Lebensmittel, die Kalium enthalten, können zudem unterstützen. Das sind bspw. Gurke, Ananas, Spargel, Artischocke, Zwiebel, Avocado, Kartoffel, Reis und Nüsse. Alkohol und Koffein sollten gemieden werden, da sie Wassereinlagerungen fördern.

HL: Eine Begleiterscheinung von stillen Entzündungen ist oft eine chronische Müdigkeit. Gibt es Lebensmittel, die sich hier positiv auswirken können?

JB: Auch hier kann auf eine pflanzenbetonte Kost gesetzt werden. Eine ausreichende Zufuhr von Antioxidantien kann dabei helfen, stille Entzündungen zu reduzieren. Daher empfehle ich eine antientzündliche Ernährung. Auch regelmäßige Bewegung kann sich positiv auf chronische Müdigkeit auswirken.

HL: Gibt es Lebensmittel, die einen positiven Einfluss auf die Funktion unserer Muskeln und Nerven haben? Welche Lebensmittel würden Sie besonders empfehlen?

JB: Es gibt viele Lebensmittel, die sich positiv auf die Funktion unserer Nerven und Muskeln auswirken. Auch hier liegt der Fokus auf pflanzlichen Lebensmitteln. Magnesium ist wichtig für das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln. Zudem hat es eine entzündungshemmende Wirkung. Es kommt in Vollkorngetreide, Nüssen, grünen Bohnen und dunkler Schokolade vor. Auch verschiedene B-Vitamine spielen für unser Nervensystem eine wichtige Rolle, denn sie können neurologische Symptome verbessern und unterstützen Konzentration und geistige Leistungsfähigkeit. Sie haben also einen maßgeblichen Einfluss auf die Funktion unseres Gehirns. Auch das Immunsystem wird von B-Vitaminen beeinflusst. Sie kommen vor allem in Hülsenfrüchten, Fisch, grünem Gemüse und Vollkorngetreide vor. Kalium ist wichtig für die Reizweiterleitung in den Muskel- und Nervenzellen. Kaliumreiche Lebensmittel sind: Aprikosen, Bananen, Karotten, Kohlrabi, Avocado und Tomaten.


Die Autorin

Julia Bierenfeld ist Ernährungsberaterin, Fitness- und Entspannungstrainerin, Bloggerin und Autorin. 2014 hat die Diagnose Multiple Sklerose Ihre Einstellung zum Leben und zu ihrer eigenen Gesundheit verändert – raus aus dem Vollzeit-Bürojob, hin zur Beratung von Menschen mit Multipler Sklerose, zu Ernährungscoachings und Vorträgen. Zudem hat sie sich 2018 einen Traum erfüllt und pilgerte fünf Wochen auf dem Jakobsweg von Frankreich nach Spanien, eine Erfahrung, die sie nicht mehr missen möchte. Dort nutzte sie die Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und sich neu zu fokussieren. Heute weiß Sie genau, dass sie Menschen helfen möchte, gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Antientzündliche Ernährung leicht gemacht

Herausgeber: jb health concepts
Autor: Julia Bierenfeld
Taschenbuch: 156 Seiten
ISBN: 978-3-00-068038-0
Format: 17 x 24 cm
Preis: 19,95 €

Der Ratgeber befasst sich im Wesentlichen mit der Frage, welche Ernährungs- und Lebensgewohnheiten Entzündungen in unserem Körper entfachen und welche dazu beitragen, diese Prozesse zu reduzieren. Mit einer Ernährungsumstellung und einer Änderung des Lebensstils kann positiv auf das Entzündungsgeschehen eingewirkt werden. Dieses Buch gibt einen Einblick in die Ernährungsgrundlagen und hilft dabei, die Darmgesundheit und den Schlaf zu verbessern. Außerdem gibt es Tipps zur Stressreduktion mit praktischen Anleitungen und ergänzend über 40 einfache, pflanzenbasierte und entzündungshemmende Rezepte.

Der Ratgeber „Antientzündliche Ernährung leicht gemacht“ ist als Softcover oder E-Book erhältlich über: www.jb-healthconcepts.de/shop