Allgemeines

Dass viel zu viel auch des Guten zu viel sein kann, gibt es immer wieder. Für diesen Bericht hatten wir den Volvo XC 60 als SUV vorgesehen. Da der neue XC 60 aber noch nicht zur Verfügung stand, schickte Volvo stattdessen „als Ersatz“ einen XC 90 R-Design aus dem Modelljahr 2018 ins Rennen. Volvos Flaggschiff (als Excellence-Luxus Version) gehört zu den Oberklasse-SUVs und ist damit zwar schwerer, aber auch schneller und sportlicher, allerdings auch teurer als die anderen Fahrzeuge dieses Tests. Da der Volvo XC 90 deutlich verbessert und verändert wurde, war die Entscheidung von Volvo nachvollziehbar und für uns eine Ehre.

Mit seinen 2 Tonnen Gewicht scheint er behäbiger zu sein und auch nicht so handlich, flink oder flexibel wie kleinere Testkandidaten. Um Sportlichkeit zu erzeugen sind im Volvo XC 90 Motoren mit stattlichen 190 bis hin zu 407 PS verbaut, die zwischen 5,6 und 9,2 Sec von 0 auf 100 benötigen. Gerade in der Ortschaft scheint er aber eher behäbig zu sein. Das Raumangebot ist gigantisch. Welches für schwerbehinderte Fahrer durchaus ein Vorteil darstellt, wenn man die dritte Sitzreihe umklappt oder die Version mit fünf Sitzen wählt, weil dann zwei Rollstühle und mehrere Koffer problemlos verstaut werden können. Die Suche nach einem Parkplatz kann Geduld erfordern, denn der 1,77 Meter hohe und fast 5 Meter lange Volvo will nicht in jedes Parkhaus passen, schon gar nicht, wenn es steile Rampen oder knapp bemessene Parkplätze zu befahren gilt. Da kann der Volvo durchaus zum Teil auf der Fahrbahn stehen. Aber wer parkt diesen Koloss schon selbst ein, wenn dieser es vollautomatisch viel besser kann?

Eindrücke des Fahrers

Beim Volvo XC90 wird Platz groß geschrieben. Das exklusive Sportlenkrad (in der R-Design-Version) ist groß und die Funktionen daran reichlich dimensioniert. Das nimmt viele Bewegungen ab und erleichtert behinderten Menschen das Fahren enorm. Alle wichtigen Funktionen können auch hier ausgeführt werden. Das „Head-up-Display“ ist groß, ausführlich und synchron mit dem Tablet-Display. Der schwerbehinderte Fahrer hat auch bei diesem Fahrzeug ausreichend Platz für seine Beine und kann mittels Assistenz-Systeme und zahlreichen Kameras einparken oder Rückwärtsfahren, ohne dass er seine Sitzhaltung verändern muss. Weil der Radstand mächtig ist, braucht es alle Kraft des Fahrers, auch engere Kurven zu lenken. Annehmlichkeiten wie Rückenmassage, Sitzheizung oder automatische Einstellungen zur richtigen Sitzhaltung gibt es mittlerweile auch bei kleineren Fahrzeugen, aber nicht in dieser Qualität. Der robust gepolsterte Sportsitz (R-Line) in edlem Leder kann aber dem behinderten Fahrer bei langen Fahrten leichte Probleme bereiten. Hier empfiehlt sich der Einbau anderer Sitze ab Werk. Der Einstieg ist bei so einem hohen Fahrzeug zwar ohne Beeinträchtigungen möglich, das Aussteigen war aber nicht immer einfach. Volvo steht für Sicherheit. Unsere Testpersonen mussten sich an einige „Sicherheitsvorkehrungen“ erst gewöhnen. Der Spurhalteassistent mit Lenkeingriff z. B. hält das Fahrzeug ziemlich abrupt auf Linie, was für die Behinderten nicht immer angenehm war und bei langen Autobahnfahrten ziemlich nervt. Nerven – ist das aber Kritik oder Lob? Wenn es um Sicherheit geht natürlich Lob! Schließlich könnte das Fahrzeug auch ohne Fahrer eine kurze Zeit selbstständig fahren. Sekundenschläfer werden es Volvo danken.

Eindrücke der Beifahrer

Schwerbehinderte Beifahrer haben beim Einstieg in den XC 90 ganz sicher keine Kopfprobleme, wohl aber beim Hinsetzen, denn ohne die Griffe wäre dies kaum möglich. Die Sitze sind dieselben wie beim Fahrer. Das Media-Display mit dem Infotainment-System und den Assistenz-Systemen ist auch vom Beifahrer-Sitz aus gut zu bedienen und einem bekannten Tablet nachempfunden. Es gibt wenige Knöpfe, dafür navigiert man per Touch schnell und übersichtlich durch alle Angebote. Die integrierte, hervorragende Audioanlage von Bowers&Wilkins sorgt für höchsten Musikgenuss. Hat der Fahrer Behinderungen oder Rückbeschwerden, empfiehlt sich, dass der Beifahrer die Assistenzsysteme sowie die Audioanlage bedient.

Eindrücke der Mitfahrer

Manchmal ist es auch vorteilhaft, hinten zu sitzen. Beim Volvo XC 90 verzichtet man ganz auf die als „Himmel“ bezeichnete Decke, denn durch eine Glasdecke ist man dem wahren Himmel viel näher. Unsere Testpersonen konnten der Versuchung nicht wiederstehen, den Sternenhimmel im Fahrzeug zu bestaunen. Mit ansprechender Musik und LED-Beleuchtung kann dies durchaus romantisch sein. Der Begriff „Hinterbank“ ist hier fehl am Platz, denn auch in der zweiten Reihe sind einzelne Sportsitze verbaut, die leider hart gepolstert und für Menschen mit Gebrechen schlecht geeignet sind. Allerdings hat man sogar hinten einen hervorragenden Ausblick durch die Windschutzscheibe, das Dachfester und die Seitenfenster. An den sehr schmalen, getönten Seitenfenstern sind Jalousien angebracht, die gegen blendendes Sonnenlicht helfen sollen. Diese kann man, wenn die Sonne mal nicht blendet, natürlich auch entfernen.

Die Fahrtests

Die Fahrstrecken mit dem Volvo wurden gegenüber den anderen Fahrzeugen etwas verändert. Es wurden längere Tagesreisen absolviert, weil er dafür wie geschaffen ist, denn der Volvo ist ein Kilometerfresser, aber leider auch ein Spritsäufer. Mit einem Verbrauch von bis zu 10 Liter auf 100 km ist er auf Autobahnen nicht gerade sparsam, besser sind die Verbrauchswerte in der Ortschaft und auf dem Lande aber auch nicht. Die vom Werk angegebenen Verbrauchswerte haben wir auf keiner Route erreicht. Auf den Geländewegen spürt man eine harte Federung.

Exkurs: Vorsicht Elch!

Lange, gerade, langweilige und ermüdende Waldfahrten, wie sie in Schweden üblich sind, sind wohl nur mit so einem Fahrzeug wie dem Volvo XC 90 zu bewältigen. Strecken, auf denen kein Sekundenschlaf, geschweige denn ein Minutenschlaf, ins Gewicht fallen darf. Dafür gibt es in den schwedischen Volvos Sondereinrichtungen, die im Schwarzwald befremdlich wirken. Volvo verbaut in jedem Auto eine sogenannte „Animal Detection“, die einen Unfall mit Elchen und anderen Großtieren verhindern soll. Dies macht auch dann Sinn, wenn man gerade in einen Sekundenschlaf gefallen ist. Ja, Sicherheit geht über alles.

 

Datenblatt: Volvo XC 90 R-Design

Der von uns getestete Volvo XC 90 R-Design in „Ice White“ hatte folgende Ausstattungsmerkmale vorzuweisen:

• 235 PS – 2.0 Diesel, 8 G-Automatik
• 220 km/h v/max.
• 7,0/ 5,6/ 6,2/ 100 km Verbrauch
• Ausstoß 173 g/km
• LED-Scheinwerfer mit maskiertem Dauerfernlicht
• Volvo Infotainment Sensus
• Zwei-Zonen-Klimaautomatik
• Innenraum-Lichtprofil in LED-Technik
• Park Assist Pilot
• Rückfahrassistent via Kamera
• Vollautomatischer Fahr- und Beifahrersitz
• Sportrücksitz
• Mittelsitz ausbaubar als Minibar (Excellent und R-Design)
• Spurhalteassistent mit Lenkeingriff
• Nebelscheinwerfer
• 20-Zoll große Leichtmetallräder
• Verglastes Dach
• Adaptivtempomat mit Staufolgeassistent
• Totwinkel-Alarm
• Head-up-Display mit Gefahrenmeldung
• Auspark- und Kreuzungsnotbremsassistent
• Müdigkeitswarner
• Heckaufprallalarm
• Animal Detection (ab 2018/19)

Preis: ab 45.900 Euro; vorliegende Testversion: 67.700 Euro