Wie die Preisträger des Wettbewerbs „Light Cares“ das Leben leichter machen wollen
Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die den großen Unterschied ausmachen: eine Bordsteinkante, die Ampel ohne akustisches Signal, der schlecht greifbare Drehverschluss der Wasserflasche. Es sind gerade diese kleinen Barrieren im Alltag, die oft in der industriellen Produktion nicht genug berücksichtigt werden. Auch werden die Hilfsmittel, die es zur Überwindung braucht, von den Krankenkassen meist nicht finanziert.
Die Technik des 3D-Drucks soll diese Lücke schließen. Eine Reihe von Initiativen und Arbeitsgemeinschaften hat es sich zum Ziel gesetzt, die Möglichkeiten dieses Verfahrens für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung einzusetzen und so günstig und unkompliziert Abhilfe zu schaffen.
Entwickelt und hergestellt werden solche Objekte häufig in sogenannten Makerspaces oder FabLabs, die mittlerweile in beinahe jeder größeren deutschen Stadt zu finden sind. Sie sind so etwas wie die Hobbytheken der Gegenwart, in denen Interessierte neben dem Austausch mit Kreativen, Technikbegeisterten und Handwerksversierten vom Lasercutter bis zum 3D-Drucker das moderne Werkzeug für die Umsetzung ihrer Ideen finden. Im Gegensatz zum Produkt eines industriellen Herstellers ist der eigene Prototyp der kleinen Hilfe sogar individuell angepasst.
Angefertigt werden die eigenen Modelle häufig mit dem 3D-Drucker. Das Objekt wird dabei in unzähligen sehr feinen Schichten präzise aufgebaut und kann beinahe jede erdenkliche Form annehmen. Das Verfahren ist damit ideal geeignet für die Herstellung individualisierter Hilfen, die Herstellung vieler Arten von Prototypen ist durch dieses Verfahren ungleich einfacher, schneller und günstiger geworden.
Die verschiedenen 3D-Druckverfahren unterscheiden sich dabei vor allem hinsichtlich des verwendeten Druckmaterials (z. B. Pulver aus Gips, Kunststoff, Glas, Keramik oder Metall) und der Bindetechnik (z. B. mit flüssigem Klebstoff, durch Verschmelzung unter Laser- oder Elektronenstrahl oder durch Auskühlen heißen geschmolzenen Materials). Hierbei fällt das selektive Laserschmelzen in das wissenschaftliche Gebiet der Photonik, der optischen Technologien.
„Light Cares“-Wettbewerb
Dieser Bewegung verschaffte auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der Ausrichtung des „Light Cares“-Wettbewerbs eine größere Aufmerksamkeit. Mit dem 2016 ins Leben gerufenen Wettbewerb sollten Projekte gefördert werden, die photonische Technologien für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen einsetzen. Insgesamt eine Million Euro stellte das Ministerium den zehn Gewinnern für die Forschungs- und Entwicklungsprojekte bereit. Das bisherige Resultat kann sich sehen lassen. Die Preisträger entwickeln praktikable Open-Source-Lösungen für ganz unterschiedliche Probleme, einige der Ergebnisse sind bereits öffentlich zugänglich. Drei stellen wir Ihnen an dieser Stelle vor.
ANSPRAKON
Viele moderne Haushaltsgeräte funktionieren über optische Anzeigen und sind für blinde und sehbehinderte Menschen daher nur schwer oder gar nicht nutzbar. Dieses Problem will das Projekt „ANSPRAKON“ beseitigen. Zusammen mit der Deutschen Blindenstudienanstalt werden an der Philipps-Universität Marburg Demonstratoren für 20 verschiedene Haushaltsgeräte entwickelt, welche die optischen Signale in akustische umwandeln und per Sprachausgabe mitteilen. Der 3D-gedruckte Anzeigen-Sprachausgabe-Konverter trägt so dazu bei, dass Blinde und Sehbehinderte die Haushaltsarbeit eigenständig und sicherer bewerkstelligen können.
Made for my Wheelchair
Bei notwendigen Erweiterungen für den Rollstuhl, wie beispielsweise einem Beleuchtungssystem, war man bislang auf wenige teure Herstellerprodukte angewiesen. Die Initiative „Made for my Wheelchair“ schafft hier Abhilfe. In über einem Jahr entwickelten Rollstuhlfahrer, Techniker und Designer nützliche Add-ons für den Rollstuhl, wie den „Open Trailer“. Der Anhänger für elektrische Rollstühle dient wahlweise als Einkaufshilfe, Lastenträger für den Bierkasten oder auch als Mitnahmemöglichkeit für eine Person.
Für Licht und mehr Sicherheit beim Fahren im Dunklen sorgt das individuell programmierbare Beleuchtungssystem „Open Lights“ aus LED-Leuchten, das per 3D-Drucker hergestellt wird.
Die Bauanleitungen und Vorlagen für den 3D-Drucker sind in digitaler Form frei zugänglich. Der Zusammenbau und das Anbringen sind dabei möglichst einfach gehalten und der Anschaffungspreis für das benötigte Material gering.
SELFMADE
Ausgezeichnet wurde außerdem das SELFMADE-Projekt des Lehrstuhls für Körperliche und Motorische Entwicklung der TU Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Büro für Unterstützte Kommunikation.
Im Makerspace des Büros für Unterstützte Kommunikation entwickeln Menschen mit Behinderung in Workshops gemeinsam mit Wissenschaftlern kleine praktische Alltagshilfen, deren Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Die entworfenen Prototypen werden am 3D-Drucker ausgedruckt und die Bauanleitungen der Modelle in digitaler Form kostenlos online zur Verfügung gestellt. Diese können dann mithilfe eines Druckprogramms unkompliziert am heimischen 3D-Drucker ausgedruckt werden. Die reinen Materialkosten für ein einfaches Hilfsmittel aus Drucker, wie z. B. einer Tasse mit angepassten seitlichen Griffen, betragen nur circa 40 Cent. Ein weiteres Projektziel besteht außerdem in der Anregung zu möglichst vielen weiteren inklusiven Makerspaces. Die Nutzung dieser praktischen Technik soll zudem viel zugänglicher gestaltet werden, sodass auch in Zukunft unkompliziert und möglichst eigenständig an vielen weiteren Alltagshelfern getüftelt werden kann.
4 FRAGEN AN…
…Hanna Linke
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Körperliche und Motorische Entwicklung der TU Dortmund zum Projekt SELFMADE – Selbstbestimmung und Kommunikation durch inklusive MakerSpaces.
1. Wie sind Sie zu der Idee des Projekts SELFMADE gekommen?
Menschen mit Behinderungen werden häufig durch nicht angepasste Umgebung beeinträchtigt – Objekte sind nicht „passend“ oder zu wenig individualisiert. Oft sind Massenprodukte nicht geeignet und individuelle Anfertigungen teuer oder schwierig zu beschaffen. Innerhalb des Projektes SELFMADE sollen innovative Ansätze zur Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt werden – und dies so autonom wie möglich.
2. Wie wird das Projekt von den Nutzern angenommen? Sind die am Maker Space tätigen Amateur-Erfinder zufrieden mit ihren selbst entworfenen Hilfsmitteln?
Bereits während der Projektlaufzeit steht die aktive Mitgestaltung durch Menschen mit Behinderung an allen Projektschritten im besonderen Fokus. Sie werden durch den Einsatz von Design-Thinking-Workshops von der Problembeschreibung über eine gemeinsame Ideenfindung bis hin zur Entwicklung eines ersten Prototyps und dessen Überarbeitung in den Prozess mit einbezogen. So können die Nutzer selbst Teil der Produktentwicklung sein. Außerdem gibt es die Möglichkeit der eigenständigen Produktion in einem fünfstufigen stärkenorientierten Modell. Man kann aus verschiedenen vorhandenen Druckergebnissen wählen und diese drucken, oder an die eigenen Bedarfe anpassen lassen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich selbst an der Konstruktion einer Zeichnung zu versuchen und diese selbstständig zu drucken.
Wir haben das SELFMADE-Projekt auf verschiedenen Veranstaltungen vorgestellt und bis jetzt sehr positive Rückmeldungen erhalten.
3. Welche Maßnahmen treffen Sie, um das Umsetzen der eigenen Ideen am 3D-Drucker zu erleichtern, so dass die Technik von jedem – ob mit oder ohne Assistenz – unkompliziert genutzt werden kann?
Zurzeit wird an einer Checkliste für inklusive Maker Spaces gearbeitet. Diese soll wird auf verschiedenen Niveaus unterschiedliche Zielgruppen ansprechen: Durch eine sehr knapp gehaltene Version sollen Praktiker/innen in Maker Spaces angehalten werden, ihre Maker Spaces auf Barrieren und Inklusionsfreundlichkeit hin zu überprüfen. Die Checkliste wird auf etablierte Instrumente zur Barrierenbeseitigung verweisen. Auf einer ausführlicheren Ebene soll die Checkliste zum Diskurs zur Barrierefreiheit beitragen, indem sie etablierte Instrumente auf das neue Subjekt „Maker Space“ überträgt.
Erste Ideen dazu wurden bereits umgesetzt. So stehen unsere Drucker auf höhenverstellbaren Tischen und sind sowohl mit einer Plexiglastür als auch mit überarbeiteten Griffen versehen, die es einer größeren Gruppe ermöglichen, einen 3D-Drucker zu nutzen.
4. Wird der Maker Space im Büro für Unterstütze Kommunikation auch nach Ablauf der Förderung erhalten bleiben?
Auch nach Ablauf der Projektlaufzeit im September 2018 werden die 3D-Drucker dem Maker Space im Büro für Unterstütze Kommunikation erhalten bleiben. Sowohl die Mitarbeiter des UK-Büros als auch das Co-Forscher-Team werden von Beginn an in den 3D-Druck einbezogen, so dass sie auch nach Ablauf der Projektlaufzeit interessierte Nutzer unterstützen können.
Infobox:
Mehr Infos zu diesem Beitrag auf:
www.bmbf.de/de/light-cares-wettbewerb-zehn-projekte-ausgezeichnet-3269.html
SELFMADE:
www.selfmade.fk13.tu-dortmund.de
Made for my Wheelchair:
www.madeformywheelchair.de
ANSPRAKON:
www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2017a/computerliestblindenvor
FabLabs/Makerspaces (Übersichtskarte, Standorte in Deutschland):
www.fabrikationslabor.de/fablabs-in-deutschland
Fotos: Uwe Fraundorf /VDI Technologiezentrum GmbH, be able e. V., Ingo Bosse/TU Dortmund, pixabay.com